Familie Müller

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«Die Natur gibt uns den Takt vor»

In der Schweiz zählen wir aktuell 49’000 Bauernfamilien. Rund 40 Prozent davon leben in den sogenannten Bergzonen. Sie bewirtschaften ihre Höfe meist unter erschwerten Bedingungen. Das heisst steile Hänge, längere Winter, schwierige Erschliessung und natürlich jede Menge Arbeit – so auch für Familie Müller. Sandra und Max aus Spiringen erzählen, weshalb es für sie dennoch keinen schöneren Arbeitsplatz gibt, die Berge sie dermassen in ihren Bann ziehen und ihnen geschlossene Kreisläufe wichtig sind.

Geschafft! Von der Ratismatt schweift der Blick übers Schächental bis hin zum Urner Kantonshauptort Altdorf. Der Bio-Bauernhof von Familie Müller liegt auf 1’600 m. Im Winter lädt das Gebiet Ratzi auf den präparierten Pisten zum Skifahren und im Sommer als Ausgangspunkt zu abwechslungsreichen Wanderungen ein. Die Familie wohnt hier das ganze Jahr über. «Wir sind gut erschlossen. Aber im Winter bei viel Schnee kann es vorkommen, dass wir auch mal von der Umwelt abgeschnitten sind. Darum ist eine gute Planung im Herbst die halbe Miete!». So wird auf der Ratismatt alles, was der Garten hergibt, für den Winter weiterverarbeitet.

Leben auf 1’600 m über Meer

Sie sind ein eingespieltes Team, Sandra und Max Müller aus Spiringen. Das zeigt sich auch bei der Aufteilung der Arbeiten auf dem Bauernhof, den sie gemeinsam führen. Max ist zuständig fürs Rindvieh und die Schafe, Sandra gibt bei der Vermarktung des Fleisches und beim Angebot «Schlafen im Stroh» den Ton an. 17 Mutterkühe der Rasse Tiroler Grauvieh und deren Kälber sind jeweils bis Mitte Juni auf der Ratismatt zuhause. Danach siedeln sie in ihr Sommerquartier auf die höher gelegene Alp. 25 Mutterschafe befinden sich in einem weiteren Stall in Unterschächen.

Max ist gelernter Landwirt, seine Frau Sandra Köchin. Als Team wird gemeinsam produziert, gehegt und gepflegt, was die Zeit hergibt. Das Fleisch der Rinder und Schafe wird beinahe zu 100 Prozent unter den Labels Bio Suisse und KAGfreiland in Mischpaketen auf Bestellung ab Hof verkauft. Bei Bedarf packt die ganze Familie mit an – nebst dem Vater von Max auch die Jungmannschaft mit Leonie, Benno und Felix.

Der Berufswunsch war für Max aber nicht von Beginn weg klar. «Ich machte erst eine Ausbildung zum Elektromonteur. Als bereits in der ersten Ausbildungswoche wichtige Arbeiten auf dem Betrieb anstanden, wusste ich, dass ich eigentlich auf den elterlichen Hof gehöre», so Max. «Mich packt einfach das Fieber, wenn im Sommer die Heuernte bevorsteht!».

Die Natur ist unser Motor

Die Urner Berge und die Bescheidenheit der Natur sind für die beiden Antriebskraft, das ganze Jahr auf 1’600 m zu leben. «In die Stadt zu gehen, ist für mich mehr Muss als Freude», schmunzelt Max, «ich bin gerne mein eigener Chef und entscheide selbstständig, wann welche Arbeit verrichtet wird.». «Sicher gehen wir auch mal gerne weg. Wir waren mal in New York. Aber dort war es so laut, dass wir nach einigen Tagen gerne wieder nach Hause gekommen sind», schmunzelt Sandra.

Geschlossene Kreisläufe sind den Müllers wichtig. «Wir wollen auch unseren Kindern ermöglichen, dieselben Lebensgrundlagen zu nutzen.», so Max. Und Sandra ergänzt: «Die Natur und der Standort gibt uns den Takt und die nachhaltige Produktionsweise bereits vor.». Um verschiedene Lebensräume zu schaffen, setzen sie 30 Prozent ihrer Betriebsfläche gezielt zur Förderung der Biodiversität ein – gefordert wären vom Bund sieben Prozent. Dabei achten sie darauf, dass viele Elemente wie Trockenwiesen und -mauern, Hecken, Asthaufen und die Vogelhäuschen miteinander vernetzt sind. Gut 75 Prozent der Fläche von Familie Müller neigt sich über 35 Prozent. Von einer Bergwiese – die vom Kanton als besonders schützenswert eingestuft wurde – muss das Heu gar mit dem Helikopter geflogen werden. Anders kann das Raufutter nicht abtransportiert werden.

Ohne Berglandwirtschaft kein Alpentourismus

Aktuell liegen beinahe 20’000 oder 40 Prozent aller Schweizer Landwirtschaftsbetriebe in den Bergzonen 1 bis 4. Da sich die Berggebiete nicht für Ackerbau oder Spezialkulturen eignen, haben die meisten ihren Produktionsschwerpunkt in der Tierhaltung. Die Betriebe sorgen mit ihrer Bewirtschaftung für eine grosse Pflanzenvielfalt und dafür, dass Wandern, Biken und Ski fahren überhaupt möglich ist. Werden Alpweiden nicht mehr gepflegt, verbuscht die Landschaft. Aber gibt es im Leben von Familie Müller auch Schattenseiten? «Ja natürlich! Aber es nicht das einfache Leben oder die Steilheit. Da wurden wir hineingeboren. Eine grosse Belastung für uns ist die Situation mit dem Wolf. Unser Standort gibt die Nutztierhaltung vor, dadurch können wir nicht einfach Getreide sähen.», erklärt Max.

«Der Konsument hat es in der Hand, wie wir produzieren»

«Wir wollen authentisch sein und zeigen, was unsere Bergwelt hergibt und wer die Personen sind, die dahinterstecken», erzählt Sandra. «Sanfter nachhaltiger Tourismus ist uns wichtig», ergänzt Max. Von den Konsumenten wünschen sich die beiden, dass sie mehr so einkaufen, wie sie in Umfragen sagen. «Viele geben an, dass sie biologisch produzierte Produkte kaufen. Warum liegt denn der Marktanteil nur bei elf Prozent? Der Konsument weiss gar nicht, welche Trümpfe er in der Hand hat. Mit seinem Einkaufszettel entscheidet er mit, was und wie nachhaltig wir produzieren».

Aktuell haben wir in der Schweiz über 190‘000 ha Biodiversitätsförderflächen. Das entspricht drei Mal der Fläche des Bodensees und fast 20 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Damit übertrifft die Landwirtschaft die Vorgaben klar, die der Bund für sie setzte.

Hofportrait

Bewirtschafter: Sandra & Max Müller-Arnold
Ort: Spiringen (UR)
Fläche: 20 Hektaren, Bergzone 3 & 4
Betriebszweige: Mutterkuhhaltung, Direktvermarktung, Agrotourismus
Arbeitskräfte: Betriebsleiterehepaar sowie Max Müller senior (Teilzeit)
Webseite: www.ratismatt.ch

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